All ~ Eins ~ Sein


Hui-neng wird als der eigentliche Vater des chinesischen Zen angesehen. Er hat das Patriarchat nie in aller Form an einen Nachfolger weitergegeben, und man sagt, dass es aus diesem Grunde erloschen wäre. Jedoch hatte Hui-neng eine ganze Reihe von Meisterschülern und Dharma-Nachfolgern. Auf zwei seiner Schüler gehen alle großen Übertragungslinien des chinesischen Zen zurück. Hui-neng stammte aus ärmlichen Verhältnissen, hatte eine sehr mangelhafte Schulbildung und half seiner verwitweten Mutter durch Sammeln und den Verkauf von Brennholz. Eines Tages hörte er einen Mann das Diamant-Sutra rezitieren. Bei dem Satz: „Lass deinen Geist frei fliessen, ohne bei irgend etwas zu verweilen“, widerfuhr ihm blitzartige Erleuchtung. Als er von dem Mann erfuhr, dass dieser von dem Zenmeister Hung-jen kam, beschloss er, ihn aufzusuchen. Dieser erkannte seine Begabung und liess ihn zunächst als Gehilfe in der Küche des Klosters arbeiten, wo er Feuerholz spaltete und die Reismühle trat. Eines Tages spürte der 5. Patriarch, Hung-jen, dass die Zeit gekommen war, einen Nachfolger zu finden. Er forderte die Mönche seines Klosters auf, ein Gedicht als Ausdruck ihrer Zen-Erfahrung zu verfassen. Doch lediglich ein von allen hochgeschätzter Mönch schrieb ein solches Gedicht folgenden Inhalts:

 

„Der Leib, das ist der Bodhi-Baum,
der Geist, er gleicht dem klaren Ständer-Spiegel.
Wisch ihn denn immer wieder rein,
lass keinen Staub sich darauf sammeln.“

 

Als der in der Küche arbeitende Hui-neng von diesem Vers hörte, verfasste auch er ein Gedicht mit dem folgenden Text:

 

„Im Grunde gibt es keinen Bodhi-Baum,
noch gibt es Spiegel und Gestell.
Da ist ursprünglich kein (einziges) Ding –
wo heftete sich Staub denn hin?“

 

Hung-jen erkannte sofort, dass sich in dem Vers von Hui-neng eine weitaus größere Tiefe der Erfahrung als in dem Gedicht von Shen-hsiu ausdrückte. Er fürchtete jedoch die Eifersucht Shen-hsius und die Missgunst der anderen Mönche, ging in der Nacht zu Hui-neng und übergab ihm Gewand und Schale als Bestätigung seiner Erleuchtung. Damit setzte er Hui-neng, der im Gegensatz zu Shen-hsiu nicht nach diesem Auftrag strebte, als 6. Patriarchen ein. Wohl wissend um die Schwierigkeiten, die dadurch entstehen würden, trug er ihm auf, das Kloster zu verlassen und in den Süden Chinas zu gehen, damit ihm niemand Schaden zufügen konnte.

 

 

 

 

Es gab einst einen Schüler, der regelmäßig seinen Meister im Ashram besuchte.
Er war mit der Zeit ungeduldig und unzufrieden über seinen spirituellen Fortschritt geworden und glaubte, wenn er in den Wald gehen würde, um in einer Höhle zu meditieren, würde er auf seinem Weg weiterkommen. So war er mehrmals mit der Bitte an seinen Meister herangetreten, ihm für dieses Sadhana (spirituelle Praxis) seinen Segen zu geben. Doch der Guru hatte diese Bitte stets abgelehnt, weil er wusste, dass es diesen Schüler nicht weiterbringen würde. Es war wichtiger für ihn im Leben zurecht zu kommen und allen liebevoll und mit Achtsamkeit zu begegnen.

Nachdem der Schüler seinen Guru aber immer wieder um Erlaubnis gebeten hatte, gab der Guru schließlich dem Drängen des Schülers nach. Der Schüler war nämlich zwischenzeitlich noch unglücklicher geworden. Allerdings eher über die Tatsache, dass er nicht in die Eremitage (Behausung für einen Einsiedler) zur Meditation durfte, als über seinen spirituellen Fortschritt. Voll Vorfreude machte sich der Schüler auf den Weg.

Drei Jahre später kehrte der Schüler aus dem Wald zurück und wollte seinen Guru wieder sehen. Er war stolz und zufrieden über die letzten Jahre, die er in der Abgeschiedenheit in Meditation verbracht hatte. In ein neues weißes Gewand gekleidet machte er sich auf den Weg zum Ashram. Der Meister wusste schon, dass er kommen würde und um den Schüler zu prüfen, kleidete er sich in ein Lumpengewand und benahm sich wie ein verrückter Bettler, der sich vor den Toren des Ashrams aufhielt.

Nun erreichte der Schüler den Ashram und begegnete dem Bettler. Der Schüler erkannte seinen Meister nicht und rümpfte die Nase über den armen Mann. Dieser begann nun seine Verrücktheit zum Ausdruck zu bringen und bewarf den in tadellosem Gewand gekleideten Schüler mit Lehm. Der Schüler geriet aus der Fassung, beschimpfte den Bettler und schlug ihn, so wütend war er. Voll Bestürzung blickte er auf sich hinab. Sein Gewand war voll Flecken. Er dachte, so könne er auf keinen Fall seinem Meister begegnen. Diese schmutzige Kleidung würde sein spirituelles Wachstum nicht ordnungsgemäß repräsentieren.

Daraufhin enthüllte der Meister sein Gesicht und erschien dem Schüler in der Gestalt des Gurus. Der Schüler erschrak und erkannte sofort seinen Fehler. In der Abgeschiedenheit der letzten drei Jahre hatte er keine Reibungspunkte erlebt, die ihn zu Demut und Gleichmut geführt hätten. Er hatte nicht gelernt seine Emotionen zu beherrschen, vor allem die negative Energie der Wut. Seinem Lehrer hingegen zu Vertrauen und mit Hingabe seiner Führung zu folgen, wäre für ihn der passende Weg gewesen. Er fiel dem Guru zu Füßen und bat ihn flehentlich um Vergebung. Dieser strich ihm sanft und liebevoll über den Kopf und blickte ihm tief in die Augen.

 

 

 

 

Ein Samurai kam eines Tages zu einem alten weisen Zen-Meister um eine Belehrung über Himmel und Hölle zu erhalten. Der alte Zen-Meister beachtete ihn kaum und sprach;


„Was willst den Du über Himmel und Hölle erfahren? Du bist ja nur ein hinterhältiger schmutziger Samurai, “

 

und warf eine seiner Sandalen nach ihm. Der Samurai war tief beleidigt und zog Wut entbrannt sein Schwert und wollte sich schon auf den Zen-Meister stürzen. Da lächelte der alte Zen-Meister und sagte;

 

„Siehst du da hast du schon deine Hölle“

 

Der Samurai verstand und lächelte auch, dann steckte er das Schwert zurück in die Scheide und verneigte sich vor dem Zen-Meister. Der Zen-Meister verneigte sich ebenfalls und sagte,

 

„und jetzt hast du auch den Himmel in dir erfahren.“

 

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